Mein erstes Bauchtanzkostüm nähte ich selbst. Nicht nur Fingerfertigkeit, sondern auch große Kreativität sowie ein individueller Bezug zu einem Auftritt, der Musik und der Identität als Tänzerin, bringen die meisten Bauchtänzerinnen dazu, ihre Kostüme selbst anzufertigen.
Tausendundeine Pailletten
Zu einem traditionellen Kostüm im orientalischen Tanz gehören bestimmte Kleidungsstücke, die bei keinem Auftritt fehlen dürfen. Obwohl der Tanz zu Ursprungszeiten in körperumhüllenden, undurchsichtigen Stoffen aufgeführt wurde, entwickelten sich seit den 1920er-Jahren immer freizügiger werdende Kostüme. Neben einem bauchfreien, nur die Brust bedeckenden Oberteil besteht ein Bauchtanzkostüm aus einem immer noch meist bodenlangen, schwingenden Rock. Dieses Basisoutfit wird aufgewertet durch den allgegenwärtigen Münzgürtel, den man über der Hüfte zusammenknotet, und einem ausgiebigen Sortiment an Armreifen, Ringen, Kopfschmuck und Halsketten. Über das Kostüm verteilt lassen sich je nach Geschmack und Choreografie tausende von zusätzlichen kleinen Schmuckelementen, wie glitzernde Pailletten oder Münzen, durchsichtige Tücher oder Henna-Bemalungen hinzufügen.
Ein einziger Glitzerregen
Nachdem ich in nervenaufreibender Kleinstarbeit riesige Mengen von Pailletten an einen umgeschneiderten BH genäht hatte, nahm ich mir den schwarzen Rock vor. Mit Goldfarbe verzierte ich den Saum mit orientalischen Mustern, die ich plante, passend dazu mit Henna auf meine Unterarme und den Bauch zu zeichnen. Das fertige Kostüm, mit einem teuer erworbenen Gürtel, den ich im Internet bestellt hatte, und natürlich obligatorisch barfuß, mit glitzerndem Nagellack und übertrieben geschminktem Gesicht stellte ich mich vor den Spiegel. Ich sah aus, als wäre ich durch einen goldenen Wasserfall gelaufen. Viel zu viel, dachte ich. Meine Tanzlehrerin wies mich jedoch darauf hin, ein Bauchtanzkostüm sei erst dann vollständig, wenn man sich völlig verkleidet und wie ein goldener Schneeball fühle.
Reaktion der Zuschauer
Als ich auf den Boden aus Pflastersteinen und Sand, der unsere Bühne darstellte, trat, fühlte ich mich sehr unwohl und zur Schau gestellt. Mit Beginn der Musik vergaß ich fast, wie ich aussah. Das Publikum konnte durch die übertriebene Kostümierung selbst von den hinteren Reihen aus meine Haut glitzern sehen. Die Reaktionen der Zuschauer, die ich danach vernahm, waren durchweg positiv und begeistert von den Kostümen. Die Darbietung schien also vor allem durch die mir überzogen vorkommende Kostümierung einen Nerv getroffen zu haben. Ich sah anders aus, fremd, exotisch, golden und passte damit perfekt in die Vorstellung und Erwartung, die sich die Zuschauer von einer Bauchtänzerin gemacht hatte. Die eher unauffälligen, aber trotzdem in traditionellem orientalischen Stil gehaltenen Kostüme der Musiker wurden ebenfalls euphorisch kommentiert und beklatscht.
Der unendliche Zauber
Meine durchweg positive Erfahrung ließ mich erleichtert und freudig nach meinem ersten Auftritt zurück. Ich war stolz auf mein Kostüm. Dass die extravagante Kleidung so gut vom Publikum aufgenommen worden war, verdeutlichte mir noch einmal, was ein westlich geprägter Zuschauer von einer Bauchtanzvorführung erwartete: Die Illusion, in eine fremde, teure, goldene Welt entführt zu werden. Der Zauber von Musik, Tanz und Stoffen darf niemals unterschätzt werden.