Sie sollen ästhetisch aussehen, über den Boden schweben, kaum als menschliche Wesen, sondern eher als feengleiche Märchenfiguren wahrgenommen werden: Primaballerinas. Menschen zahlen viel Geld, um sich ein Ballett anzusehen. Sie wollen nichts Alltägliches, nichts Durchschnittliches, sie wollen Perfektion sehen, in andere Welten entführt werden, voll von zerbrechlichen Prinzessinnen, traumhaften Liebesgeschichten und Tänzerinnen, die Flügel zu haben scheinen.
Der Weg dorthin
Doch hinter den Kulissen, hinter den perfekten Körpern, sieht es anders aus. Die Mädchen und Jungen Frauen, die den scheinbaren Traum leben, professionelle Balletttänzerinnen sein zu können, leben unter zahlreichen Restriktionen.
Neben einem körperlich grenzwertigen Trainingsplan, extremer Strenge und hoher Erwartungen von Trainern, Choreographen und Coaches schwebt zu jeder Zeit die Drohung über einer Tänzerin, bei abfallender Leistung oder schlicht absteigender körperlicher Bestform immer plötzlich durch eine jüngere, trainiertere, fittere, schönere Tänzerin ersetzt werden zu können.
Der Druck zum Dünnsein
Obwohl sich sicherlich im Laufe der letzten Jahrzehnte diesbezüglich viel getan hat, ist es nach wie vor eines der schwierigsten und allgegenwärtigsten Themen in der Welt des professionellen Balletts: Essstörungen. Vor allem Mädchen und junge Frauen, aber auch immer mehr Jungen und Männer, sind davon betroffen. Um der Perfektion, der Illusion der Zauberwesen, der auf der Bühne schwebenden Künstler willen, verlieren sich leider immer mehr Menschen aus der Tanzwelt in einem krankhaften Essverhalten, um die übermenschlichen körperlichen Anforderungen sowie den eigenen Perfektionismus erreichen zu können. Magersucht ist hierbei die häufigste psychische Krankheit unter jungen Ballerinas, und es wird scheinbar nichts dagegen getan.
Der Ruf des Balletttänzers
Seit jeher scheinen zum stereotypen Bild der Balletttänzer und vor allem der -tänzerinnen zerbrechlich wirkende, kleine Körper, mit hervorstehenden Knochen und Muskelpartien zu gehören. Damit wird signalisiert, dass nicht jeder so ein Leben führen kann. Einem Durchschnittsmenschen wird suggeriert, die Welt des Balletts sei gezeichnet von eiserner Disziplin, körperlicher Perfektion und übermenschlicher Willenskraft. Um diese Vorstellung noch mehr zu erhöhen, wird eine übernatürliche ästhetische Ausstrahlung vorausgesetzt: das Publikum aus ,,normalen“ Menschen soll sehen, wie besonders das alles ist, wie unfassbar bezaubernd die Tänzer durch seelische Stärke und körperliche Fitness und Schönheit sein können.
Ein Wandel ist schwierig
Immer mehr betroffene Tänzer gehen an die Öffentlichkeit, bekennen sich zu dem Druck, dem sie nicht mehr standhalten können, und wollen Aufklärung betreiben. Das Thema scheint im allgemeinen Gedankengut angekommen zu sein. Dennoch ist kein Wandel zu sehen. Weiterhin wird das Gewicht von Balletttänzerinnen militärisch kontrolliert, weiterhin sieht man in keinem Theater eine Primaballerina, die nicht diesem Klischeebild entspricht. Es ist traurig, denn genau diese Übermenschlichkeit, diese schillernde Darstellung von Disziplin, Verzicht und daraus folgender außergewöhnlichen Ästhetik ist das Ziel, ist der Grund, weshalb Leute ins Ballett gehen. Und solange es keinen kompletten Imagewechsel, der Jahrzehnte dauern würde, gegeben hat, werden Balletttänzer immer unter dem Druck stehen, perfekt sein zu müssen.